Die Sozialwissenschaftliche Fakultät wird 50

In diesem Jahr feiert die Sozialwissenschaftliche Fakultät ihr 50-jähriges Bestehen. Zeit, um auf die Ursprünge zurückzuschauen, die aktuellen Erfolge zu feiern und sich zu fragen, wo es in Zukunft hingehen soll.

1974

Mit der Einführung des Bayerischen Hochschulgesetzes (BayHSchG) organisiert die LMU München ihre Fachbereiche neu. In diesem Zuge werden die Bereiche Politische Wissenschaft, Soziologie, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Kommunikationswissenschaft/Zeitungswissenschaft und Amerikanistik zum Sozialwissenschaftlichen Fachbereich, zusammengefasst. Der kommissarische Dekan, Prof. Dr. Otto B. Roegele, lädt zur ersten Fachbereichsratssitzung am 26. Februar 1975 in ein. Der Rat besteht aus 21 Mitgliedern, darunter 14 Professorinnen und Professoren. In dieser Sitzung wird Prof. Roegele zum ersten Dekan des Fachbereichs Sozialwissenschaften gewählt. Prof. Dr. Heinz Laufer wird Prodekan. Der erste Punkt auf der Tagesordnung ist die Festlegung einer Geschäftsordnung, die alle administrativen Prozesse, Aufgaben, Rechte und Pflichten des Fachbereichsrats festlegt.

1977-1979

Sybille und Heinz Laufer

Sybille und Heinz Laufer

© privat

Prof. Dr. Heinz Laufer wird am 20. Juli 1977 mit 19 Ja-Stimmen, einer anderen Namensnennung und einer ungültigen Stimme zum Dekan der Fakultät gewählt. Er widmet sich diesem Amt bis zu seinem Tod im Jahr 1996. Er und seine Frau Sybille bereicherten die Fakultät ebenso fachlich wie persönlich.

Am 14. Dezember 1978 teilt der Dekan dem Präsidenten und ehemaligen Mitglied des Fachbereichs Prof. Dr. Nikolaus Lobkowicz schriftlich mit, dass der Fachbereichsrat beschlossen hat, die Bezeichnung „Sozialwissenschaftliche Fakultät“ zu führen.Dennoch werden die Sitzungen zur Klärung administrativer Fragen und Prozesse noch lange Zeit als „Fachbereichsratssitzungen“ bezeichnet.

Bereits seit 1975 werden sind die Erziehungswissenschaften durch zwei Zweitmitglieder im Fachbereichsrat Sozialwissenschaften vertreten. Diese sind Prof. Dr. Dr. Franz Schneider und Prof. Dr. Dieter Grosser. Durch die Integration des Fachbereichs Erziehungswissenschaften im Jahr 1979 werden dessen Professoren für Politische Wissenschaft Mitglieder der Sozialwissenschaftlichen Fakultät.

1981

Prof. Dr. Eric Voegelin

Prof. Dr. Eric Voegelin

Zum 80. Geburtstag von Prof. Dr. Eric Voegelin, dem Begründer der Politischen Wissenschaft an der Universität München, wird die Eric-Voegelin-Gastprofessur an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät eingerichtet. Der am 3. Januar 1901 in Köln geborene Gelehrte war nach Promotion und Habilitation an der Universität Wien als akademischer Lehrer tätig, bis ihn die Nationalsozialisten zur Emigration zwangen. Er wirkte als Professor in Harvard, Alabama und Louisiana, bevor er 1957 an die LMU München berufen wurde, wo er das Institut für Politische Wissenschaft gründete. Dort wirkte er von 1958 bis 1969.

Prof. Dr. Eric Voegelin hält anlässlich des Festakts am 21. Mai 1981 einen Vortrag mit dem Titel „Das öffentliche Unbewusstsein“.

Heute beherbergt das Geschwister-Scholl-Institut das sog. Voegelin-Zentrum, das mit seiner Vorlesungsreihe kontinuierlich an seinen Namensgeber erinnert.

1985-1986

Dr. Franz Josef Strauß bei der Verleihung der Ehrenpromotion

Dr. Franz Josef Strauß bei der Verleihung der Ehrenpromotion in der Großen Aula der LMU München

© LMU München

Im Jahr 1985 erhält Dr. Franz Josef Strauß die Ehrenpromotion an der Fakultät. Der Ministerpräsident hält den ersten Teil seiner Dankesrede auf Latein und Altgriechisch.

Ein Jahr danach tritt das Professorium dennoch mit ihm in einen kontroversen Meinungsaustausch. Am 6. Mai 1986 treffen sich die Professorinnen und Professoren mit ihm im Saal der Schackgalerie. Die „vorläufigen“ Themen lauten offiziell:

  • Sozialwissenschaften und Politik
    Kritische Solidarität und Dienstleistung
  • Sozialkunde in Bayern
    Der Verfall eines Faches
  • Die Verkümmerung der Universitätsautonomie
    Die administrative Gängelungswut des Kultusministeriums
  • Die Reduktion der Kultur- und Sozialwissenschaften
    Die einseitige Forcierung der Natur- und Technischen Wissenschaften
  • Die inflexible Personalstruktur im Hochschulbereich
    Neue Chancen dem Leistungsprinzip

Im Nachgang an das Gespräch schreibt Prof. Laufer am 13. Mai 1986 einen engagierten Brief an Dr. Strauß, in dem er das Engagement seiner Kolleginnen und Kollegen in bewegende Worte fasst:

„Wir verstehen uns auch als Wächter und als Dienstleistende, als Verteidiger unserer freiheitlichen Ordnung in all ihrer Unvollkommenheit, aber auch als Störer einer selbstzufriedenen, bedrohlichen Ruhe, als Störer von destruktiven Entwicklungen.“

1989

Am 17. November 1989 erhält Prof. Dr. Robert Jay Lifton die Ehrendoktorwürde „für seine wissenschaftlichen Untersuchungen über die Möglichkeiten des Überlebens in einer gewalttätigen Welt, für seine engagierten und bewegenden Studien zur Psychologie des Genozids, für seine vielfältigen zeitgeschichtlichen Arbeiten, die sozialwissenschaftliche Fragestellungen und Erkenntnisse integrieren, und die von seinem Glauben an die ewig mögliche Erneuerung der menschlichen Natur zeugen“. (Prof. Dr. Heinz Laufer)

1996

Nach beinahe 20 Jahren als Dekan verstirbt Prof. Dr. Heinz Laufer. In seiner Erinnerungsschrift heißt es:

„Zu aller, auch seiner eigenen Bestürzung an Weihnachten 1995 schwer erkrankt, starb er am 30. April 1996 in Höfen. Fast 20 Jahre lang hat er mit Kompetenz und Klugheit und orientiert am Maßstab der Menschlichkeit die Sozialwissenschaftliche Fakultät aufgebaut, geleitet und nachhaltig geprägt.“

Kurz vor seinem Tod verfügt er in seinem Testament die Gründung einer Treuhandstiftung an der LMU zur Förderung der Politikwissenschaften als Staatswissenschaften. Die Stiftung sollte nach ihm und seiner Frau Sibylle benannt und an der LMU verankert sein. Die Heinz und Sibylle Laufer-Stiftung unterstützt Studierende und Forschende aus der Politikwissenschaft.

1999

Haupteingang der Oettingenstraße 67

© LMU München

Das Institut für Kommunikationswissenschaft wird 75 Jahre alt. Es wurde 1924 als Institut für Zeitungswissenschaft gegründet – damals mit einem Professor, der ohne Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter oder Hilfskräfte 20 Studierende unterrichtete.

1999 lehren bereits fünf Professoren und 15 Mitarbeiter mit der Unterstützung von sechs Verwaltungskräften am Institut. Rund 800 Studierende sind damals im Haupt- und Nebenfach neben zahlreichen Promovierenden eingeschrieben.

Heute besteht das Institut aus 14 Professorinnen und Professoren, 69 Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, zahlreichen Hilfskräften sowie Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern.

Dieses Jahr feiert das IfKW sein 100-jähriges Bestehen.

2000

In der Zeit von 1. Mai bis 31. August 2000 hat Prof. Dr. Dr.h.c. Guy Stern die Mercator-Gastprofessor inne. Er wirkt sowohl im Fachbereich Germanistik als auch Kommunikationswissenschaft. Seine Seminare und Vorlesungen werden von einer beeindruckenden Zahl an Studierenden besucht: 250 Hörerinnen und Hörer kommen zur germanistischen Vorlesung „Einführung in die Exilliteratur“. Am Institut für Kommunikationswissenschaft hält er eine Vorlesung zum Thema „Publizistik im Exil“ und ein Hauptseminar mit dem Titel „Gestalten der Exilpublizistik“. Letzteres musste aufgrund der hohen Teilnehmerzahl von über 90 Studierenden in zwei Gruppen aufgeteilt werden.

Im Abschlussbericht des Dekans resümiert Prof. Wagner: „Professor Dr. Dr.h.c. Stern war im besten Sinne ein Botschafter der Verständigung und des Wissens eines Zeitzeugen ebenso wie Vermittler kompetenter Wissenschaftlichkeit auf seinen Gebieten.“

2001

Prof. Dr. Hans-Bernd Brosius wird zum Dekan gewählt – damit beginnt die Ära Brosius, denn er wird 20 Jahre lang alle zwei Jahre wiedergewählt werden. Die Fakultät dankt ihm nach wie vor für sein kontinuierliches und unermüdliches Engagement!

2005

Prof. Dr. Angelika Poferl

© privat

Zum ersten Mal in ihrer Geschichte vergibt die Fakultät eine Juniorprofessur. Prof. Dr. Angelika Poferl nimmt den Ruf an und bleibt bis 2010 am Institut für Soziologie. Sie ist Juniorprofessorin für Qualitative Methoden der empirischen Sozialforschung.

Heute ist Prof. Dr. Poferl Professorin für Allgemeine Soziologie an der Technischen Universität Dortmund.

2009

Das Geschwister-Scholl-Institut feiert sein 50-jähriges Bestehen. Beim Festakt sprechen der Präsident der LMU München, Prof. Dr. h.c. Bernd Huber, Otto Schily, Bundesminister a.D., Dr. Ludwig Spaenle, Bayerischer Staatsminister für Unterreicht und Kultus und der Kabarettist Gerhard Polt, Alumnus der Fakultät.

2012

Die Fakultät gründet die sog. AG Gleichstellung, der zehn Mitglieder aus allen drei Instituten angehören. Sie wird mit der Formulierung eines Gleichstellungsplans beauftragt, der 2013 verabschiedet wird.

Seitdem hält die Fakultät daran fest, ihren Gleichstellungsplan (PDF, 913 KB) regelmäßig zu aktualisieren. Hierin werden Ziele in Sachen Gleichstellung festgelegt, die nicht nur bei Berufungsverfahren, sondern auch bei der gesamten personellen Ausgestaltung der Fakultät Anwendung finden.

2013

Prof. Dr. Hella von Unger

Prof. Dr. Hella von Unger

© hajue staudt

In diesem Jahr wird die Einrichtung der fakultätseigenen Ethikkommission angeregt, da zu diesem Zeitpunkt Anträge auf Drittmittelprojekte immer häufiger durch ein solches Gremium begutachtet werden sollen. Die Vorarbeiten für die Einrichtung dieses Organs übernehmen Prof. Dr. Romy Fröhlich und Prof. Dr. Hella von Unger.

Bis heute ist die Ethikkommission eine feste Instanz an der Fakultät 15. Sie unterstützt Forschende bei der Beantragung und Durchführung von sozialwissenschaftlichen Forschungsvorhaben durch eine Beratung zu bzw. eine Beurteilung von forschungsethischen Gesichtspunkten des geplanten Vorhabens. Die Inanspruchnahme der Leistungen der Kommission ist freiwillig und erfolgt auf Antrag der Forschenden. Vorsitzende der Kommission ist nach wie vor Prof. Dr. Hella von Unger, ihr Stellvertreter ist Prof. Dr. Benjamin Krämer.

2015

Zum ersten Mal wird der fakultätsinterne Gleichstellungspreis verliehen. Die Preisträgerinnen sind Lisa Abbenhardt, Cornelia Schadler, Lea Schütze, Jasmin Siri und Julia Wustmann. Sie werden für die Gründung des „Ment 15“ - Mentoring-Programm für Studentinnen und Doktorandinnen der Sozialwissenschaftlichen Fakultät ausgezeichnet.

Die sozialwissenschaftliche Fakultät verleiht seitdem jährlich den Gleichstellungspreis. Dieser zeichnet besonders innovative und nachhaltige Ansätze zur Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen aus, die an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät verwirklicht werden oder wurden. Ausgezeichnet werden können Projekte zur personellen und strukturellen Gleichstellungsförderung sowie Initiativen zur Thematisierung von Gleichstellung in Forschung und Lehre. Der mit 1.000 € dotierte Preis wird jeweils im Wintersemester im Rahmen des Siemens-Kolloquiums der überreicht.

2023 wurden zwei Projekte mit dem Gleichstellungspreis ausgezeichnet:
Prof. Dr. Laura Seelkopf erhielt einen Preis für ihre internationale Initiative „under the radar – female scholarship in political economy“.

Außerdem wurden Dr. Corinna Lauerer und Mia Grünewald für ihr Projekt zu Diversität im Journalismus ausgezeichnet.

2017

Prof. Dr. Thomas Zerback

© obsoquasi visuals

Prof. Dr. Thomas Zerback wird mit dem Habilitationspreis der Münchner Universitätsgesellschaft ausgezeichnet. Prof. Zerback ist zum damaligen Zeitpunkt wissenschaftlicher Mitarbeiter des IfKW und gewinnt den damals mit 6.000 € dotierten Preis für seine Habilitation „Ursachen und Folgen der Meinungsklimawahrnehmung“.

Der Habilitationspreis gehört zu den so genannten Förderpreisen, die regelmäßig von der Münchner Universitätsgesellschaft ausgelobt und im Rahmen des Stiftungsfests der LMU München vergeben werden.

Fünf Jahre später gewinnt auch Prof. Dr. Benjamin Krämer (IfKW) den Preis für seine Arbeit „How to Do Things with the Internet. Handlungstheorie online“.

2019

Im Sommersemester 2019 steigt die Anzahl der Frauen unter den Studierenden an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät zum ersten Mal auf über 60%. Heute sind es sogar bereits 66%. Die Fakultät ist stolz darauf, für Studentinnen attraktiv zu sein und arbeitet mit Nachdruck daran, den Frauenanteil auch im Professorium kontinuierlich zu erhöhen.

2021

Prof. Dr. Klaus H. Goetz

Prof. Dr. Klaus H. Goetz

© privat

Prof. Dr. Klaus H. Goetz übernimmt das Amt des Dekans. Er wird unterstützt durch die Prodekanin Prof. Dr. Diana Rieger und dem Studiendekan Prof. Dr. Josef Brüderl.

Prof. Dr. Goetz hat seit dem 1. April 2013 den Lehrstuhl für Politische Systeme und Europäische Integration am Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft inne. Zuvor leitete er seit 2006 den Lehrstuhl "Politik und Regieren in Deutschland und Europa" an der Universität Potsdam.
Klaus H. Goetz hat in Tübingen, an der University of Massachusetts und an der London School of Economics (LSE) Italianistik und Politikwissenschaften studiert. Nach seiner Promotion am Nuffield College der Universität Oxford lehrte und forschte er am Nuffield College, an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer und zwischen 1992 und 2006 als Lecturer, Senior Lecturer und Reader am Department of Government der LSE. Verschiedene Gastprofessuren führten ihn an das Sciences Po Bordeaux, das European Forum der Hebrew University, das European University Institute in Florenz, die Universität Tokio und die Humboldt-Universität zu Berlin.

2024

Heute arbeiten an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät insgesamt 28 Professorinnen und Professoren, ca. 160 Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ca. 25 Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter.

66% der eingeschriebenen Studierenden sind Frauen, seit dem Wintersemester 2017/2018 sind 56% der Promovierenden und 50% der Habilitanden Frauen.

Bei den Professuren liegt der Frauenanteil derzeit bei 36% - Tendenz steigend.

Die Fakultät 15 beherbergt zahlreiche drittmittelgeförderte Projekte an allen drei sozialwissenschaftlichen Departments.

Inzwischen gehören die drei Institute der Fakultät zu Deutschlands renommiertesten Einrichtungen in ihren Fachgebieten. Die Expertise unserer Hochschullehrerinnen und -lehrern sowie unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist aus öffentlichen politischen und sozialen Diskursen nicht mehr wegzudenken.

Wir danken allen, die die Fakultät aufgebaut und begleitet haben, sowie allen, die sie bis heute formen und bereichern.